
Viele Chief Sustainability Officer kennen das Dilemma: ESG-Ziele stehen schwarz auf weiß, die Politik verschärft die Vorgaben, die Stakeholder wollen Fortschritt sehen und gleichzeitig steigt die geopolitische Unsicherheit. Der Wille ist da, die Technik auch. Doch was fehlt, ist eine klare Umsetzungsstrategie, die nicht im Reporting stecken bleibt, sondern in der Realität funktioniert.
Autarkie ist hier nicht der Luxus einer idealistischen Vision. Sie ist ein Sicherheitsfaktor – und zwar einer, der sich in klaren, priorisierten Schritten erreichen lässt. Vier Stufen, die vom schnellen Effekt bis zur maximalen Souveränität führen.
Stufe 1 – Reduktion: Der sofort wirksame Hebel
Bevor wir neue Anlagen bauen, sollten wir sicherstellen, dass wir den Verbrauch im Griff haben.
Das bedeutet:
- Lastspitzen kappen durch intelligente Lastverteilung
- Energieverluste aufspüren – nicht nur im Strom-, sondern auch im Wärme- und Mobilitätssektor
- Prozesse entflechten, um unnötige Verbraucher im Stand-by zu eliminieren
Dieser Schritt senkt nicht nur Kosten, sondern schafft die Grundlage für jede weitere Autarkiestufe – denn jede kWh, die nicht benötigt wird, muss später auch nicht teuer produziert oder gespeichert werden.
Stufe 2 – Substitution: Eigene Erzeugung aufbauen
Hier geht es um den Übergang von reiner Netzabhängigkeit zu einem Teilautarkie-Modell.
- Photovoltaik und Solarthermie für Strom und Wärme
- Biomasse oder Wasserstoff für Grundlastabdeckung
- Kleine Blockheizkraftwerke (BHKW) für flexible Versorgung
- usw.
Wichtig: Substitution ohne Integration führt oft nur zu teuren Insellösungen. Die Energieerzeugung muss sektorübergreifend geplant werden, damit Strom, Wärme und Mobilität im Zusammenspiel optimiert werden.

Stufe 3 – Speicher & Priorisierung: Das „Zwiebelmodell“ in Aktion
Mit eigener Erzeugung kommt die Frage: Wer bekommt im Krisenfall zuerst Strom und Wärme?
Hier hilft das Critical Core-Konzept („Zwiebelmodell“):
- Core Capabilities (z.B. Rechenzentren, Kommunikationsmodule, medizinische Einheiten) laufen immer weiter
- Key Supporting Capabilities (z.B. Frischwasser, Abfallmanagement) werden je nach Lagebild zugeschaltet
Durch szenarienunabhängige, szenarienabhängige und lageangepasste Priorisierung sichern Sie nicht nur Technik, Sie sichern Handlungsfähigkeit.
Stufe 4 – Echtzeitsteuerung & Optimierung
Der letzte Schritt ist die Königsdisziplin: ein adaptives Energiesystem, das in Echtzeit reagiert.
- Automatisierte Lastverschiebung bei Engpässen
- Prädiktive Analysen, die drohende Ausfälle erkennen, bevor sie auftreten
- Multidimensionale Optimierung aller Sektoren (Strom, Wärme, Mobilität) anhand aktueller Daten
Damit wird Autarkie nicht nur ein technischer Zustand, sondern ein strategisches Steuerungsinstrument – jederzeit anpassbar an geopolitische, klimatische und wirtschaftliche Veränderungen.
Fazit – Von Pflicht zu Souveränität
Autarkie in vier Stufen bedeutet: schnelle Erfolge sichern, Mittel- und Langfristziele realistisch planen und im Endausbau vollständige Handlungsfähigkeit erreichen.
Gerade in einer Welt, in der Versorgungssicherheit und ESG-Umsetzung keine getrennten Themen mehr sind, wird Autarkie zur Strategie gegen Unsicherheit– und zum Beweis, dass Nachhaltigkeit steuerbar ist.
Welche Stufe Ihrer Autarkie-Strategie ist aktuell der größte Hebel – und was hindert Sie, ihn sofort zu ziehen?
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